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30.01.2024

Bürokratiemonster in der Pflegeselbsthilfe

Bild: Anja Schödwell
Bild: AOK-Bundesverband

Selbsthilfe-Fachtagung des AOK-Bundesverbandes 2024 thematisiert komplizierten Abruf von Fördermitteln

Unter dem Motto "Hilfe für Helfende Hände“ veranstaltete der AOK-Bundesverband seine Selbsthilfe-Fachtagung am 12.01.2024 in Berlin zum Schwerpunktthema „Selbsthilfe für pflegende Angehörige“. Mit Expert*innen aus Selbsthilfe, Wissenschaft und Pflegenetzwerken wurde darüber diskutiert, warum die Unterstützung pflegender Angehöriger durch Angebote der Selbsthilfe so enorm wichtig ist – und ob die bisherigen Regelungen zur Förderung dieser Angebote ausreichen. Die Referierenden verdeutlichten, wie wertvoll das Engagement pflegender Angehöriger für die Pflegeversorgung in Deutschland ist.

Anja Schödwell, Referentin für Pflegeselbsthilfe bei der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V., machte zu Beginn der Tagung die Dimensionen des Problems deutlich: „Von insgesamt bis zu 12,41 Millionen Euro, die allein die Pflegekassen 2022 für die Förderung zur Verfügung hätten stellen können, wurden letztlich nur 4,49 Millionen Euro für die Selbsthilfeförderung ausgegeben. Das sind gerade einmal 36 Prozent." Der geringe Mittelabruf liegt in der finanziellen Beteiligung der Länder sowie in einer Förderpraxis begründet, die dem Fördergegenstand wegen rechtlicher Vorgaben und bürokratischer Vorschriften nicht angemessen ist.

Irmelind Kirchner, Referentin Pflege im AOK-Bundesverband, informierte über den aktuellen Status Quo von Unterstützungsangeboten für pflegende Angehörige durch die Pflegeversicherung.

Vertreterinnen verschiedener Selbsthilfegruppen und -organisationen referierten über ihre jeweiligen und ganz besonderen Herausforderungen bei der Pflege, beispielsweise bei Menschen mit Demenz, bei Kindern oder mit Migrationshintergrund.

AOK fordert mehr Einfluss durch die Pflegekassen
Gerriet Schröder, Leiter Prävention der AOK Sachsen-Anhalt und verantwortlich für die Selbsthilfeförderung sowohl der gesundheitlichen Selbsthilfe als auch der Pflegeselbsthilfe erklärte, dass sich beim Förderverfahren in der Pflegeversicherung kein effizientes Vorgehen zur Vergabe der Fördermittel etabliert habe. Das läge vor allem darin begründet, dass das Land oder die Kommune entscheidet, ob die Pflegeselbsthilfe gefördert wird und dass bei einer Förderzusage der Antragsweg in einem mehrstufigen Verfahren extrem bürokratisch aufgebaut sei. Herr Schröder formulierte als Lösungsvorschlag, die Förderentscheidung den Pflegekassen zu überlassen und dass Länder und Kommunen Gelder als freiwillige Leistung ergänzen könnten.

In der abschließenden Podiumsdiskussion fasste Harold Engel, Leiter der Pflegeabteilung im AOK-Bundesverband, die Ergebnisse der Tagung zusammen: So wie in der Förderung der gesundheitlichen Selbsthilfe müsste auch beim Förderverfahren nach dem elften Sozialgesetzbuch die Sozialversicherung das Zepter in die Hand bekommen – immerhin zahlten die Pflegekassen 75 Prozent der Fördersumme. „Das gesamte Förderverfahren müsste schlicht und ergreifend der Sozialversicherung übertragen werden, das Land oder die Kommune sollten ihren 25 Prozent-Anteil der Pflegeversicherung überweisen“, so Engel.

Aus Sicht von Jutta Hundertmark-Mayser, Geschäftsführerin der NAKOS, könnten die mehr als 300 örtlichen Selbsthilfekontaktstellen die besonderen Bedarfe von Pflege-Selbsthilfegruppen gut auffangen und verlässliche Rahmenbedingungen bereitstellen. Jedoch seien dafür mehr personelle Ressourcen notwendig, die aus den Fördermitteln zu finanzieren seien. Außerdem sei ein transparentes Förderverfahren mit stabilen Strukturen und klaren Kriterien dringend notwendig, damit Fördermittel in der Pflegeselbsthilfe ankämen. Ein gutes Modell dafür seien die gemeinsamen Arbeitskreise von Krankenkassen und Selbsthilfevertretungen, die sich bei der Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe nach §20h SGB V etabliert hätten.

Vollständige Tagungsdokumentation inklusive Aufzeichnung:
https://www.aok.de/pp/selbsthilfe/selbsthilfe-fachtagungen/selbsthilfe-fachtagung-2024/

Das G+G-Spezial 1/2024 „Hilfe für helfende Hände – Selbsthilfe für pflegende Angehörige“ begleitete die AOK-Fachtagung. Der Artikel „Bürokratiemonster“ von Anja Schödwell und Jutta Hundertmark-Mayser ist auf den Seiten 10-12 zu finden:
https://www.aok.de/pp/fileadmin/bereiche/unternehmenskommunikation/Agenda/Selbsthilfe/Selbsthilfe_Fachtagungen/Fachtagung_2023_2024/23-0623_G_G_Spezial_Selbsthilfe_BF_Version.pdf

Text: Anja Schödwell